Unterschiedliche Charaktere von Feuerwehrkräften benötigen verschiedenste Erholungsmöglichkeiten
Die meisten Feuerwehrfrauen und -männer leisten während ihres Arbeitslebens rund 3900 24h-Dienste (bei angenommenen 100 Diensten im Jahr und durchschnittlich 39 Arbeitslebensjahren 1. Die Feuerwehrwache bietet für die Feuerwehrfrauen und -männern nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern ebenfalls einen Raum zum Kochen, Essen, Sport treiben und die Möglichkeit gemeinsam Feiertage zu verbringen. Die individuelle feierabendliche Erholung erfolgt somit auf der Arbeitsstätte. Durch diese Kombination von Arbeit und privatem Leben innerhalb des Arbeitsplatzes, ist es für die Einsatzkräfte von besonderer Bedeutung die Fähigkeit zu erlernen zwischen den Ruhephasen und einer vollständigen Leistungsbereitschaft zu jeder Zeit wechseln zu können. Es kann behaupten werden, dass für viele Beschäftigte die Feuerwache ein zusätzliches Zuhause zu ihrem privaten Heim darstellt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Bedingungen unterschiedliche Charaktere von Feuerwehrkräften im Wachalltag benötigen, um während der Bereitschaftszeit ausreichend Erholung zu erfahren?
Der Dienstbetrieb über 24 Stunden stellt eine außergewöhnliche Form der Schichtarbeit dar. Besonders der Wechsel aus Arbeitszeiten, geplanten und ungeplanten Aufgaben sowie der ständige Druck der vorhandenen Alarmbereitschaft bilden einen nahezu unvergleichbaren Alltag zu anderen Berufsfeldern2.
Es ist ein wesentlicher Schutz für die Angestellten, dass diese psychisch und physisch gesund sind.
Um die Arbeitskraft der Mitarbeiter/innen aufrecht zu erhalten, muss der Arbeitgeber gegen einen Verlust dieses persönlichen Schutzes sorgen.
Dies kann die jeweilige Arbeitsstelle unter anderem, indem diese die Rahmenbedingungen während des Dienstes an die Mitarbeiter/innen anpasst.
Eine Folge alltäglicher belastender Arbeitsbedingungen ist Burnout. Nach einer Definition von Maslach und Jackson (1984), kann man unter Burnout ein Syndrom der emotionalen Erschöpfung, der Depersonalisierung und einer Reduzierung der persönlichen Leistung verstehen. Die Erschöpfung wird hier als zentrales Kriterium gewertet.
Eingruppierung der verschiedenen Typen
Durch Beeinträchtigungen, welche unterhalb der Krankheitsschwelle liegen, wird die eigene Reserve ausgebeutet und die Möglichkeit Stress zu bewältigen wird reduziert. Im selben Zug wird die Anfälligkeit für intensivere (psychische) Störungen erhöht. Dies kann vor allem mit extremem Stress oder kurzfristigen erhöhten Belastungen einher gehen. Vor allem arbeitsorganisatorische Bürden, Ungerechtigkeit und Probleme bei der Interaktion zwischen Mannschaft und Führungsdienstgraden stellten belastende Arbeitsbedingungen dar4. Im Stressbericht von Psychologin Bettina Gorissen (2003) wurde festgestellt:
Dass entgegen der Annahme, dass im Einsatzdienst die größere Belastung auf die Einsatzkräfte wirkt, die Belastungen und Einschränkungen auf der Wache (Bereitschafts- und Ruhezeiten) als wesentlich anstrengender wahrgenommen werden.
Bettina Gorissen (2003)
Es kann demzufolge in der Bereitschaftszeit zur Gereiztheit kommen, da die Feuerwehrkräfte im Einsatz kurz zuvor aus einem Zustand der extremen Belastung kommen und nach Eintreffen auf der Wache wieder zur Ruhe kommen müssen. „Die Feuerwehrleute können ihre feuerwehrspezifischen Fähigkeiten ausschöpfen und anwenden. Sie werden gebraucht. Sie führen genau die Arbeit aus, wegen der sie zur Feuerwehr gegangen sind. Hier findet die Identifikation mit ihrem Beruf statt. Es wundert kaum, dass gerade diese Belastungen das psychische Wohlbefinden der Feuerwehrleute positiv beeinflussen“ (ebd., S. 38). Dennoch zeigt sich laut Gorissen (2003), dass ohne eine ausreichende Bereitschafts- und Ruhezeit der Wachalltag nicht zu bewältigen ist.
Das Wachgefüge
Eingruppierung der verschiedenen Typen
Welche Bedeutung die sozialen Vernetzungen haben, beschreibt Simmel wie folgt:
„Irgendeine Anzahl von Menschen wird nicht dadurch zur Gesellschaft, dass in jedem für sich irgendein sachlich bestimmter oder ihn individuell bewegender Lebensinhalt besteht; sondern erst, wenn die Lebendigkeit dieser Inhalte die Form der gegenseitigen Beeinflussung gewinnt, wenn eine Wirkung von einem auf das andere – unmittelbar oder durch ein Drittes vermittelt – stattfindet, ist aus dem bloß räumlichen Nebeneinander oder auch zeitlichen Nacheinander der Menschen eine Gesellschaft geworden.“
(Simmel, 1908, S.5, Hervorhebung durch den Verfasser)
Es ist demnach unter anderem durch das gemeinsame Verarbeiten von erlebten Einsatzszenarien sowie durch die wohngemeinschafltiche Atmosphäre auf der Feuerwache möglich, dass die Wachmannschaft als eine mikrosoziologische Gesellschaft gesehen werden kann. In diesem Zusammenhang werden aufgetragene Arbeiten nicht losgelöst von den Arbeitskollegen und -kolleginnen ausgeführt.
Feuerwehrfrauen und -männer lassen sich in vier Gruppen aufteilen:
- Gemeinschaftskoordinierende, selbstbestimmte Lebensführung
- Gemeinschaftsorientierte, fremdbestimmte Lebensführung
- Selbstbezogene, fremdbestimmte Lebensführung
- Individualistische, selbstbestimmte Lebensführung
Wird die Eingruppierung unter dem Aspekt betrachtet, dass nicht jedes Wachmannschaftsmitglied einer Gruppe zugeordnet werden kann, wird deutlich, dass auf die verschiedenen Typen eingegangen werden muss.
Ziel der Arbeit war es herauszufinden, welche Bedingungen unterschiedliche Charaktere von Feuerwehrkräften im Wachalltag benötigen, um während der Bereitschaftszeit ausreichend Erholung zu erfahren. Um die Forschungsfrage zu beantworten wurden verschiedene Typen von Lebenseinstellungen anhand der Arbeit in der Feuerwehr analysiert. Es kann im Zuge dessen von einem Trugschluss gesprochen werden, wenn davon ausgegangen wird, dass allein durch die Bereitschaftszeit eine vollständige Erholung aller durch den Dienst als Feuerwehrkraft aufkommenden Belastungen auszugleichen ist. Vielmehr ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren, welche sich von der Arbeitszeit über die Bereitschafts- und Ruhezeit bis hin zu den freien Tagen außerhalb der Wache erstrecken, von Bedeutung.
Der Arbeitgeber sollte individuell auf seine Mitarbeiter/innen eingehen und unter anderem auch gewisse Grundvoraussetzungen schaffen.
- Ein wesentlicher Punkt sind hierbei unteranderem die räumlichen bzw. baulichen Gegebenheiten.
- Schwierigkeiten bei der Kommunikation und Informationsweiterleitung zwischen Führungs- und Ausführungsebene sind oft der Grund, dass Fehler in der Führungsebene gesucht werden.
- Rückmeldungen bleiben aus und sinnvolle Anregungen aus der operativen Ebene werden beispielsweise nicht oder nicht angemessen beziehungsweise verfälscht weitergegeben4.
- Hier empfiehlt es sich auch an den Bereich der Supervision zu denken, welche unter anderem eingefahrenen Strukturen die Möglichkeit bietet, sich neu zu orientieren.
Zusätzliche Belastungen wirken sich kumuliert auf die Belegschaft aus
Sie sorgen auf Dauer dafür, da sich die persönliche Lebensführung unter anderem nicht im Gleichgewicht befindet. Dies schafft eine gewisse Unzufriedenheit. Anhand der verschiedenen Lebensführungen ergeben sich beispielsweise unterschiedliche räumliche Strukturen. Sei es ein Bereitschaftsraum, welcher aktiv als Lebensmittelpunkt für die Belegschaft gestaltet und als zentraler Wachmittelpunkt angeordnet werden sollte oder typbestimmte Rückzugsräume.
Fakt ist eine Feuerwehrkraft ist nicht gleich die eine Feuerwehrkraft. Manche benötigen individuellere organisationale Strukturen als andere. Eine Feuerwerwache ist kein reiner Zweckbau und die Dienstgestaltung keine Sache von eingefahrenen Strukturen.
Literaturverzeichnis
1Statistisches Bundesamt. (2021). Voraussichtliche Lebensarbeitszeit in Deutschland nach Geschlecht von 2009 bis 2019 [Data set]. Zitiert nach de.statista.com. Zuletzt abgerufen 30. März 2021, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/827899/umfrage/lebensarbeitszeit-in-deutschland-nach-geschlecht/
2Morgenroth, S., & Schindler, S. (2012). Feuerwehralltag: Eine soziologische Untersuchung zur Lebensführung von Feuerwehrmännern im 24-Stunden-Wachalltag (1. Aufl). Hampp.
3Karutz, H., Geier, W., Mitschke, T., & Unger, C. (Hrsg.). (2017). Bevölkerungsschutz: Notfallvorsorge und Krisenmanagement in Theorie und Praxis. Springer.
4Hering, T., Schulze, D., Sonnenberg, D., & Beerlage, I. (2005). Was belastet in der Feuerwehr?: Primärprävention gesundheitlicher Beeinträchtigungen aus einer arbeitsorganisatorischen Perspektive. Notfall + Rettungsmedizin, 8(6), 412–421. https://doi.org/10.1007/s10049-005-0758-y
5Gorissen, B. (2021). Psychische Belastungen im Wachalltag von Berufsfeuerwehrleuten: Ein arbeitspsychologischer Vergleich von Wachalltag und Einsatz; eine Längsschnittstudie.
6Simmel, G. (1908). Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung (Duncker & Humblot, Hrsg.).